Diesen Artikel schreibe ich aus der Sicht als Vorsitzender des Deutschen Verbands für Bildungs- und Berufsberatung (dvb); daher basieren einige Anmerkungen nicht auf wissenschaftlich abgesicherten Befunden, sondern geben persönliche Einschätzungen wieder aus meiner langjährigen Tätigkeit als Berufsberater der Bundesagentur für Arbeit (BA), aktuelle Eindrücke als Lehrender im Bereich der Beratungsqualifizierung an der Hochschule der BA (HdBA) und vor allem Erkenntnisse aus der Perspektive eines Verbandsvertreters, der das Geschehen seit rund 30 Jahren aktiv beobachtet und begleitet. Mein Anliegen ist seit vielen Jahren, Gemeinsamkeiten der Beratenden und ihrer Organisationen herauszuarbeiten und die Position der Beratung für Bildung, Beruf und Beschäftigung (BBB-Beratung) zu fördern, damit sie ihrer Bedeutung für Gesellschaft und Arbeitswelt besser gerecht werden kann: im Interesse der ratsuchenden Menschen, die in diesem Land leben und arbeiten (wollen).
In den letzten Monaten nahm ich an drei internationalen Konferenzen zu Lifelong Guidance, d. h. lebensbegleitender Bildungs- und Berufsberatung, teil. Zwei Eindrücke habe ich mitgenommen, die ich bisher noch nie so manifest wahrgenommen hatte: Erstens ist nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas die Finanzierung der Bildungsberatung nicht dauerhaft gesichert, sondern auf befristete Projektfinanzierungen wie die des Europäischen Sozialfonds (ESF) gestützt, die politischen Entwicklungen und damit Entscheidungen unterliegen. Zweitens wird Bildungsberatung fast immer im Zusammenhang mit (meist beruflicher) Weiterbildung gesehen; die Rolle der BBB-Beratung als grundlegende Orientierungshilfe über die Erwerbstätigkeit hinaus wird nicht nur in Deutschland weithin unterschätzt. Auch wenn überall Weiterbildung durch den demografischen Wandel und die anderen Megatrends boomt, heißt dies nicht, dass dem Thema Beratung der angemessene Platz eingeräumt wird. Diese Marginalisierung der Beratung zeigt sich auch an der Qualifizierung und Forschung für Bildungsberatung: Diese ist ebenfalls meist an Instituten für Pädagogik oder Weiterbildung angesiedelt, i. d. R. als ein kleines Teilgebiet.1 Lediglich an der HdBA ist eine ganze Fachgruppe mit etlichen Professuren für Beratungswissenschaften zu finden; diese duale Hochschule ist aber nur Mitarbeitenden der BA, also nicht allgemein zugänglich.2
Die unterschiedliche Anbindung führt zwangsläufig zu unterschiedlicher Akzentuierung und zu einem erstaunlichen Nebeneinander der Beratungsinstitutionen wie der Beratungsforschung. Institutionell gibt es die Berufsberatung der BA (die nach Mitarbeitendenzahlen größte Beratungsorganisation), die Studienberatungsstellen an Hochschulen (die der Bildungsberatung zugerechnet werden), zahllose Bildungsberatungsstellen in kommunaler oder regionaler Trägerschaft und ebenso unübersehbare Mengen an spezialisierten Beratungsstellen für Flüchtlinge, Themen der Migration allgemein und viele andere mehr. Von einem Flickenteppich zu sprechen, ist sicherlich nicht übertrieben. Mit diesem Durch- und Nebeneinander der Praxis korreliert eine irritierende Sprachlosigkeit zwischen den mit Beratungsforschung und -lehre befassten Instituten an Hochschulen; diese wird erst in den letzten Jahren hier und da aufgebrochen. Die wenigen Kontakte scheinen mir – ohne dass ich das stringent belegen kann – einerseits auf den von außen unzugänglich erscheinenden Kosmos der HdBA zurückzuführen zu sein und andererseits auf die beschriebene unübersichtliche Vielfalt und die Marginalisierung des Themas Beratung an vielen anderen Hochschulen.3 Aber wie kommt das?
Ein Blick auf die Genese ist an dieser Stelle hilfreich. Begonnen hat die Geschichte der Berufsberatung 1902, als der „Bund Deutscher Frauenvereine“ eine „Auskunftsstelle für Frauenberufe“ einrichtete. Dieses Konzept schien Ähnlichkeiten mit heutigen Bildungsberatungsstellen aufzuweisen. Der Begriff Berufsberatung wurde bereits 1898 geprägt (vgl. Knickrehm & Thiel 2023). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Relevanz der Dienstleistung Berufsberatung für die gesamte Bevölkerung begriffen, was schließlich 1927 im Zuge der Gründung der Arbeitsämter zu der Einrichtung der gleichnamigen Abteilung führte; von 1935 bis 1998 war diese Dienstleistung als Monopol den Arbeitsämtern vorbehalten (vgl. ebd.).
Die globale Bildungsdiskussion in den 1960er- und 1970er-Jahren mündete in den 1970er-Jahren in erste Konzepte zum lebenslangen Lernen (vgl. Nuissl & Przybylska 2014); Weiterbildung war, auch als Begriff, erfunden und wurde seither ständig ausgebaut. Damals begann die seither nicht abgeflaute Diskussion, ob denn lebenslanges Lernen überwiegend der „Employability“ dienen solle, also der Beschäftigungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, oder darüber hinaus auch anderen Themen gelte (vgl. ebd.; Thiel 2021, S. 263 f.). In diesem Kontext entstand auch vielfach bei kommunalen (Weiter-)Bildungsträgern wie z. B. Volkshochschulen die Weiterbildungsberatung, die ursprünglich Menschen erreichen sollte, die unterrepräsentiert an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen (vgl. Stanik 2022). Eine gewisse Tendenz, die eigenen Bildungsangebote der jeweiligen Institution mit Teilnehmenden zu versorgen, spielte vielfach dabei eine Rolle. Der Begriff Berufsberatung durfte wegen des o. g. BA-Monopols trotz der fachlichen Nähe weder für die Weiterbildungsberatung noch die gleichzeitig entstehende Studienberatung verwendet werden.4 Hinzu kam, dass kommunale und regionale Bildungsberatungsstellen ihren Auftrag zunehmend meist deutlich umfassender verstehen, als es die Definitionen der Berufs- und Weiterbildungsberatung hergeben: Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Selbstverständnis, dass neben beruflicher Weiterbildung abhängig von Lebenslagen der ratsuchenden Menschen auch andere Themen wie Grundbildung (beispielsweise bei funktionalem Analphabetismus) und anderes mehr Gegenstand eines solchen Beratungsangebots sein müssen. Eine beabsichtigte Abgrenzung von der Behörde Arbeitsamt spielte überdies eine Rolle.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Entstehungsgeschichten sind sowohl das Selbstverständnis wie auch das Professionsverständnis seit jeher zersplittert, sie orientieren sich an den Institutionen der jeweiligen Beratungsanbieter. Praxis und auch Qualifizierung fanden viele Jahre und finden immer noch überwiegend in den jeweiligen Parallelwelten statt (vgl. Thiel 2021, S. 265).
In den 1990er- und 2000er-Jahren gab es europaweit starke Initiativen zum lebenslangen Lernen, vor allem das Europäische Jahr des lebenslangen Lernens 1996, dessen Deklaration ausdrücklich die Förderung persönlicher Entfaltung und von Werten wie Solidarität und Toleranz sowie die Teilnahme an demokratischen Entscheidungsprozessen einschloss (vgl. EP 1995, S. 1). Begleitet wurde diese Entwicklung durch einen Beratungsboom und in der Folge durch Forderungen nach einer Beratungsprofessionalisierung und der Entstehung von Qualifizierungswegen (vgl. Käpplinger & Maier-Gutheil 2015, S. 163 ff.). Initiativen zur Umsetzung von EU-Empfehlungen zu Lifelong Guidance (LLG) zwischen 2001 und 2004 führten zu einer Konferenz Zukunft der Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung, die 2004 in Bonn stattfand. Sie brachte wohl zum ersten Mal die relevanten Akteure zusammen und gab einen starken Impuls für eine LLG-Strategie.
Allerdings fehlte – und fehlt im Grunde bis heute – der politische Wille, die Zersplitterung der Beratungslandschaft wirksam zu koordinieren und die Kräfte zu bündeln (vgl. ausführlicher Thiel 2021, besonders S. 268). Das 2006 gegründete Nationale Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (nfb; vgl. https://www.forum-beratung.de) sollte eine solche Rolle einnehmen, wie in etlichen europäischen Ländern. Die BA wäre (im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, BMAS) für eine politische Anbindung des nfb prädestiniert gewesen, zog sich aber während der Gründung zurück. Daher wurde das nfb als eingetragener Verein konstituiert – eine Notlösung, da der wesentliche Träger von beruflicher Beratung nicht mit am Tisch saß. Zum Vergleich: In den europäischen Ländern besitzen die nationalen Foren Beratung unterschiedliche Rechtsstellungen (vgl. Cedefop 2009, S. 48–52), z. B. wird in Österreich das Forum von den zuständigen Ministerien einberufen (vgl. Götz et al. 2020). Durch solche ministerielle Koordination soll eine Beteiligung aller relevanten Akteure gewährleistet werden. Das deutsche nfb unterstützte eine Bestandsaufnahme der BBB-Beratung (vgl. Niedlich et al. 2007) und betrieb im Auftrag des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2009 bis 2014 die Entwicklung eines Projektes zur Beratungsqualität (das sogenannte BeQu-Projekt; vgl. https://www.forum-beratung.de/beratungsqualitaet/das-bequ-konzept/). Durch die fehlende dauerhafte Unterstützung und Legitimation durch die Politik blieben diese Aktivitäten indes in ihrer Wirkung begrenzt.
Nachdem die BA in den 2000er Jahren die Beratung eher vernachlässigt hatte, änderte sich die Politik zu Beginn der 2010er Jahre von Grund auf; dies führte schließlich ab 2014 zum Projekt und ab 2019 zur Einführung der sogenannten lebensbegleitenden Berufsberatung, die sich seit 2021 auch auf die Zielgruppe der Menschen im Erwerbsleben richtet (vgl. BA 2019).
Die aktuellen kommunalen und regionalen Angebote für Bildungsberatung weisen kaum bundesweit zusammenhängende Strukturen auf. Infolge fehlender Statistiken und Untersuchungen kann auch die Entwicklung dieser vielgestaltigen Beratungsangebote nur sehr pauschal beschrieben werden. Die befristete Finanzierung insbesondere über den Europäischen Sozialfonds (ESF) steht verlässlichen und stabilen Angebotsstrukturen im Wege. Eine Verstetigung der Arbeitsverhältnisse von Beratenden ist daher meist nicht möglich (vgl. Thiel 2021, S. 270). Bundesweite Daten zu den Finanzierungsstrukturen und Finanzvolumina von Bildungsberatung gibt es nicht (vgl. Käpplinger & Maier-Gutheil 2015, S. 166–169).
Die Zuständigkeit der Landesministerien für Bildung – und damit Bildungsberatung – einerseits und des BMAS für die BA-Berufsberatung andererseits sorgen für eine Vielfalt, die in einem pluralistischen System einerseits zu begrüßen und wünschenswert ist, die aber mangels koordinierender Kräfte zu einem Spielball der dezentralen politischen Akteure wird und es an Stabilität fehlen lässt.5 Das BMBF hätte mangels starker Interessen der Länderregierungen in der Bildungsberatung eigentlich ein lohnendes Aktionsfeld. Indes sorgen die mit jeder Legislatur wechselnden Schwerpunktsetzungen des BMBF für ein Auf und Ab; Bildungsberatung wird nicht als Daueraufgabe behandelt. Dies ist dem Entstehen und Weiterentwickeln einer sinnvollen, zusammenarbeitenden und vernetzten Beratungslandschaft nicht zuträglich. Selbst bei den Gewerkschaften gibt es keine Geschlossenheit, teilweise fühlt sich die Bildungsgewerkschaft GEW zuständig, anderswo ist es ver.di; und wieder fällt die kommunale Bildungsberatung wegen ihrer zahlenmäßigen Kleinheit nicht ins Gewicht.
Eine neue Akzentsetzung erfolgte zwischen 2019 und 2021 durch die Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) der Bundesregierung (vgl. https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/weiterbildung/nationale-weiterbildungsstrategie/nationale-weiterbildungsstrategie_node.html). Im Bericht des Themenlabors 3 „Beratungsstrukturen in der Weiterbildung“, wird eine Vernetzung der Akteure angestoßen (vgl. BMAS & BMBF 2021, S. 44–55, besonders S. 49). Diese soll allerdings ausgerechnet durch die BA gesteuert werden, die aufgrund ihrer schieren Größe und ihrer zentralistischen Struktur von den anderen Akteuren als dominant, wenn nicht bedrohlich wahrgenommen wird. Das ist keine gute Voraussetzung für eine gedeihliche Kooperation, selbst wenn man – aus meiner Sicht – grundsätzlich vom guten Willen der Verantwortlichen in der BA ausgehen kann.
Im „Update“ zur NWS der aktuellen Bundesregierung wird angekündigt: „Die Partner der NWS wollen ihre Beratungsaktivitäten stärken und damit eine breit etablierte Kultur der Weiterbildung fördern. Eine Voraussetzung ist die Stärkung der Weiterbildungsberatung für Individuen sowie der Qualifizierungsberatung für Unternehmen und Betriebe. […] Dabei wird unter anderem geprüft, ob zusätzliche Anlaufstellen zu einer Erhöhung der Transparenz für Weiterbildungsinteressierte beitragen können.“ (BMAS & BMBF 2022, S. 15) Diese Formulierungen lassen nicht auf ein vertieftes Verständnis von Bildungsberatung schließen; ihre Rolle wird allein auf den Nutzen für die berufliche und betriebliche Weiterbildung eingeschränkt. Weiter wird ausgeführt, dass dazu „regionale Netzwerke und Beratungsstrukturen […] gestärkt und miteinander verzahnt werden“ sollen, und zwar durch „Austauschmöglichkeiten für die geförderten Projekte“ (ebd., S, 17). Im folgenden Absatz wird direkt die stärkere Rolle der BA als Moderatorin betont (vgl., ebd.).
Diese unverbindlichen Formulierungen scheinen meine anderweitigen Beobachtungen zu bestätigen, dass die derzeitige Regierung tendenziell die Beschäftigungsberatung bei Arbeitsagenturen und Jobcentern fördern will und dass die Bedeutung einer dezentralen allgemeinen Bildungsberatung nicht gesehen wird. Damit korrespondiert, dass das BMBF derzeit nach Aussagen etlicher Akteure durch ein geradezu demonstratives Desinteresse an diesem Thema auffällt.6
Eine alte Erkenntnis spiegelt der Satz „Einigkeit macht stark“. Dies wird bislang im Feld der BBB-Beratung nicht gelebt und nicht berücksichtigt. Die Strukturen sind, wie dargestellt, vielfältig und unübersichtlich, die politischen Zuständigkeiten sind ebenso divers. Desgleichen sind die Fach- und Berufsverbände als Zusammenschlüsse von Akteuren weit von einer übergreifenden Gemeinsamkeit entfernt. Es gibt eine ganze Reihe von Verbänden, die sich dem Thema Beratung für Bildung, Beruf und Beschäftigung widmen. Mein Verband, der dvb, hat die Besonderheit, dass er für alle Akteure offen und somit im Feld am breitesten aufgestellt ist: Im dvb finden sich Beratende aus der BA wie von Bildungsberatungsstellen und aus anderen Kontexten zusammen. Spezialisierte Verbände sind beispielsweise an den Hochschulen aktiv: die GIBeT, die Gesellschaft für Information, Beratung und Therapie an Hochschulen, und der csnd, das Career Service Netzwerk Deutschland. Andere Verbände sind nicht ausschließlich im BBB-Bereich tätig, z. B. der BVPPT, der Berufsverband für Beratung, Pädagogik & Psychotherapie. Die – hier bei Weitem nicht vollständig aufgezählte – Vielfalt der Verbände spiegelt die heterogene Struktur des Feldes wider.
Ein Weg, in dieser Heterogenität Gemeinsamkeit zu stiften, könnten die auf europäische Initiative gegründeten Nationalen Foren sein. Das nfb, ein Zusammenschluss verschiedener Akteure im Bildungsbereich, die durchaus nicht alle selbst Beratung betreiben, und seine Rolle als Dachverband wurden bereits genannt. Die Idee der Nationalen Foren beschreibt diese ursprünglich als Einrichtungen, denen „sowohl Regierungsvertreter und Betroffene als auch wichtige Partner der Beratungsdienste angehören“, sie sollen gemeinsam Aktionspläne erarbeiten sowie politische Prozesse steuern (OECD 2004, S. 58). In Ländern mit starken, dezentralisierten Regionen, sollten auch regionale Beratungsforen als Untereinheiten des nationalen Forums entstehen (vgl. ebd., S. 59). Dies beschreibt eine koordinierende Rolle, durch die ein plurales und hinreichendes Angebot an professioneller BBB-Beratung gefördert wird. Wie dargestellt, fehlt in der deutschen Politik ein Bewusstsein für die Bedeutung und die Aufgaben; daher wird diese koordinierende Funktion eines Forums nicht unterstützt. Es besteht diesbezüglich eine Leerstelle, zumal längst nicht alle einschlägigen „Stakeholder“ im nfb einbezogen sind (vgl. die Mitgliederliste des nfb: https://www.forum-beratung.de/mitglieder/).
Der dvb hat in den letzten zwei Jahren Initiativen im Bereich der Bildungsberatung unternommen und auf zwei Tagungen (2022 online und 2023, gemeinsam mit dem nfb, in Präsenz) zahlreiche Akteure zusammengebracht. Damit wurde das Ziel verfolgt und erreicht, eine bessere Vernetzung anzustoßen und vor allem die Beratenden in Kontakt zu bringen, die so ein gemeinsames Verständnis ihrer Aufgaben entwickeln können: Miteinander Reden baut Vorurteile ab und bringt Gemeinsamkeiten zutage, in diesem Fall zwischen Beratenden von Arbeitsagenturen, kommunalen und regionalen Beratungsstellen sowie -verbünden, Mitgliedern verschiedener wissenschaftlicher Institutionen und auch Behörden. Die fachliche Zusammenarbeit mit dem nfb erwies sich dabei als ausgesprochen fruchtbar.
Die Bemühungen um eine solche Vernetzung und Zusammenarbeit verschiedener Akteure werden sicherlich fortgesetzt und intensiviert. Wünschenswert wäre noch eine größere Beteiligung von Akteuren im Rahmen von Mitgliedschaften, die dazu führen würde, dass die Verbände nicht nur von größeren Zahlen sprechen könnten, die sie vertreten, sondern dass auch mehr finanzielle Mittel für eine politische Arbeit zur Verfügung stünden, um den politischen Stellen die arbeitsmarktliche und gesellschaftliche Bedeutung der Bildungs- und Berufsberatung stärker ins Bewusstsein zu bringen und politische Unterstützung einzuwerben bzw. zu fordern. Ein wichtiges Ziel beispielsweise bei der Zusammenarbeit mit Gewerkschaften ist die Definition der Bildungsberatung als Daueraufgabe, wodurch die Finanzierung fester Stellen von Beratenden statt einer befristeten Projektfinanzierung möglich würde.
Ein wichtiger erster Schritt zu einer besseren Koordination wäre eine erneute Bestandsaufnahme der BBB-Beratung; die letzte, bereits erwähnte datiert von 2007 (vgl. Niedlich et al. 2007). Für diese Aufgabe fehlt bislang eine Finanzierung, die sinnvollerweise aus dem politischen Raum kommen müsste. Eine solche Bestandsaufnahme wäre eine Basis, um sinnvolle Strukturen zu planen und zu entwickeln, die einerseits effektiv sind und andererseits der pluralistischen Gesellschaft Rechnung tragen, d. h. den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen, die Beratung in Anspruch nehmen. Den politisch Verantwortlichen aufzuzeigen, dass diese Arbeit kein Luxus ist, sondern auf die Dauer eine nachhaltige Teilhabe von Menschen an Gesellschaft und Arbeitswelt unterstützt und letztlich ermöglicht, ist eine wichtige Aufgabe der Verbände.
Vernetzung und gemeinsames Auftreten der BBB-Beratung gegenüber der Politik sind im Grunde die Mittel und Wege, um aus dem Dasein als Anhängsel von Weiterbildung und Lebenslangem Lernen hervorzutreten und den Platz als eigenständige wesentliche Aufgabe zur Daseinsvorsorge einzunehmen. Um das erreichen, ist eine deutliche Professionalisierung der bislang weit überwiegend ehrenamtlich arbeitenden Verbände erforderlich, was ebenfalls durch öffentliche, nicht nur projektgebundene, sondern dauerhafte Unterstützung gewährleistet werden müsste.
BA – Bundesagentur für Arbeit (2019). Weisung 201912023 vom 20.12.2019 – Lebensbegleitende Berufsberatung – Einführung der „Berufsberatung im Erwerbsleben“. https://www.arbeitsagentur.de/datei/ba146209.pdf
BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales & BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (2021). Umsetzungsberichte Themenlabore. Begleitpublikation zum Umsetzungsbericht der Nationalen Weiterbildungsstrategie. Bonn: BMAS. https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/a805b-themenlabore-begleitpublikation-nationalen-weiterbildungsstrategie.pdf
BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales & BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (2022). Nationale Weiterbildungsstrategie. Fortführung und Weiterentwicklung. Berlin: BMBF. https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/downloads/files/nws_updatepapier_fortfuehrung_09-22.pdf?__blob=publicationFile&v=3.
Cedefop – Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (2009): Einrichtung und Aufbau nationaler Politikforen für lebensbegleitende Beratung. Ein Handbuch für Entscheidungsträger und Interessengruppenvertreter. Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften. https://www.cedefop.europa.eu/files/5188_de.pdf
EP – Europäisches Parlament (1995, 26. Oktober). Beschluss 2493/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 1995 über die Veranstaltung eines europäischen Jahres des lebensbegleitenden Lernens. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, L 256, 45–48. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:31995D2493&from=DE
Gavin-Kramer, K. (2021): Studienberatung an Hochschulen. In T. Grüneberg et al. (Hrsg.), Handbuch Studienberatung. Berufliche Orientierung und Beratung für akademische Bildungswege, Band 1 (S. 71–78). Bielefeld: W. Bertelsmann.
Gieseke, W. & Nittel, D. (Hrsg.). (2016). Handbuch der pädagogischen Beratung über die Lebensspanne. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.
Götz, R., Haydn, F. & Tauber, M. (2020): Nationales Lifelong Guidance Forum (LLG-Forum). https://erwachsenenbildung.at/themen/bildungsberatung/governance/llg-forum.php
Käpplinger, B. & Maier-Gutheil, C. (2015). Ansätze und Ergebnisse zur Beratung(sforschung) in der Erwachsenen- und Weiterbildung – Eine Systematisierung. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 38(2), 163–181. https://doi.org/10.1007/s40955-015-0034-9
Knickrehm, B. & Thiel, R. (2023, 01. August). Berufsberatung. socialnet Lexikon. https://www.socialnet.de/lexikon/308
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Stanik, T. (2022, 18. Oktober). Weiterbildungsberatung. socialnet Lexikon. https://www.socialnet.de/lexikon/29404
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Rainer Thiel, Bundesvorsitzender des Deutschen Verbands für Bildungs- und Berufsberatung e. V. (dvb), Lehrkraft für Beratungsqualifizierung für die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA), Berufs- und Bildungsberater
Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch die Redaktionskonferenz am 24.08.2023 zur Veröffentlichung angenommen.
This article was accepted for publication following the editorial meeting on the 24th August 2023.
Beispiele sind die Professoren Bernd Käpplinger (Universität Gießen), Sebastian Lerch (Universität Mainz), Dieter Nittel (Universität Frankfurt), Henning Pätzold (Universität Koblenz) und andere mehr.
Die HdBA nennt elf Professorinnen und Professoren, vgl. https://www.hdba.de/hochschule/fachgruppen/beratungswissenschaften/. Diese hohe Anzahl liegt an der Funktion der HdBA als Ausbildungsstätte für die Berufsberater*innen der BA.
Anekdotische Anmerkungen: Das Handbuch der pädagogischen Beratung über die Lebensspanne von W. Gieseke und D. Nittel (vgl. 2016) ist in Kreisen der BA-Berufsberatung praktisch nicht bekannt; genauso wenig kennt man das Grundlagenpapier zur Weiterentwicklung der Beratungskonzeption der Bundesagentur für Arbeit (BeKo) von M. Rübner und P. C. Weber (2021) außerhalb der BA. Ein Praktikant der HdBA, der kürzlich beim dvb beschäftigt war, wusste zu Beginn nichts über die Existenz von Beratungsstellen außerhalb der BA.
Zur Entstehung der Studienberatung vgl. ausführlich Gavin-Kramer 2021.
Die Zuständigkeit weiterer Ministerien wie für verwandte bzw. angrenzende Beratungsfelder, beispielsweise des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, begründet eine weitere Zersplitterung; dies kann hier nicht näher ausgeführt werden.
Anekdotische Anmerkung: Das Ministerium fand es beispielsweise nicht erforderlich, im Frühjahr 2023 eine Vertreterin zum Abschlussworkshop des nach ihm benannten und von ihm geförderten Projekts „BMBF-Infotelefon Weiterbildungsberatung“ zu entsenden, um die Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sich das BMBF bei der beruflichen Orientierung Jugendlicher engagiert (z. B. durch Förderung von Projekten im Rahmen des Berufsorientierungsprogramms), erkennbar jedoch ohne Abstimmung mit der dafür zuständigen BA.